Quelle: DPA
Tokio (dpa) - Stark radioaktiv belastetes Wasser hat nun auch die
Arbeiten an den Reaktoren 1 und 2 im Atomkraftwerk Fukushima Eins
gestoppt. Die Arbeiten mussten unterbrochen werden, nachdem dort
Wasser mit hoher Radioaktivität gefunden wurde, berichtete die
Nachrichtenagentur Kyodo am frühen Freitagnachmittag (Ortszeit).
Fukushima: Schäden im Reaktorblock 3 zunehmend größer =
Für das Krisenmanagement im Block 3 der havarierten Anlage wird die
Zeit knapp: Die Behörden gehen jetzt von einer erheblichen Schädigung
des Reaktors aus, die eine Zerstörung von Brennelementen zur Folge
hat. Drei Arbeiter wurden verstrahlt.
Tokio (dpa) - Zwei Wochen nach der Naturkatastrophe in Japan gibt
es Hinweise auf eine fortschreitende Zerstörung von Reaktorblock 3 im
Atomkraftwerk Fukushima. Im benachbarten Turbinengebäude seien drei
Arbeiter einer 10 000fach erhöhten Radioaktivität ausgesetzt gewesen,
sagte am Freitag der Reaktorsicherheitsbehörde (NISA), Hidehiko
Nishiyama. Dies deute entweder auf eine partielle Kernschmelze mit
einer Beschädigung des Reaktorbehälters hin oder auf eine Überhitzung
des Abklingbeckens für abgebrannte Kernbrennstäbe.
Beim Verlegen von Kabeln im Turbinengebäude von Block 3 kamen die
Techniker nach Angaben der Betreibergesellschaft Tepco mit Wasser in
Berührung, das eine Radioaktivität von 3,9 Millionen Becquerel pro
Kubikzentimeter aufwies. Am Vortag waren dort weder Wasser noch
erhöhte Strahlung festgestellt worden. Deswegen hatten die Arbeiter
keine Schutzstiefel an. Das radioaktiv belastete Wasser lief ihnen in
die Schuhe. Zwei der drei Arbeiter kamen mit Verbrennungen in
eine Spezialklinik.
Die Reaktorsicherheitsbehörde forderte daraufhin den AKW-Betreiber
Tepco zu einem wirksameren Strahlenschutz auf. Die Leitung der
Behörde habe deswegen Kontakt zu dem Unternehmen aufgenommen, sagte
NISA-Sprecher Nishiyama und erklärte: «Wir haben Probleme mit dem
Strahlenschutz.» Das durch die Turbinen geleitete Wasser sei
normalerweise nur schwach radioaktiv. Zur Kühlung des Reaktorblocks 3
werde weiter Meerwasser eingesetzt.
Um der Erhitzung der Blöcke 1, 3 und 4 entgegenzuwirken, sollen
diese Reaktoren weiter von außen mit Meerwasser gekühlt werden. Bei
diesen drei Reaktoren stieg am Freitag erneut weißer Dampf auf. Die
Arbeiten zur Wiederherstellung der regulären Kühlung sind bislang
offenbar kaum vorangekommen.
Die japanische Regierung ist besorgt, dass die fortgesetzte
Kühlung des Atomkraftwerks Fukushima mit Meerwasser von
außen zu einer Salzverkrustung der Kernbrennstäbe und damit zu neuen
Risiken führen könnte. Es sei notwendig, sehr schnell die Umstellung
auf eine Kühlung mit Süßwasser zu erreichen, sagte
Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa am Freitag. Dazu habe die
US-Regierung ihre Hilfe angeboten. Salzablagerungen an den
Brennstäben könnten die Kühlung blockieren.
Die Verstrahlung der Umwelt und die radioaktive Belastung von
Lebensmitteln werde sich weiter ausbreiten, sagte der
Umweltwissenschaftler Kentaro Murano von der Hosei-Universität in
Tokio dem Fernsehsender NHK. «Die Auswirkungen der Radioaktivität
werden noch für einige Zeit andauern.» In sechs Präfekturen
übersteigt die Jod-131-Belastung des Leitungswassers den zulässigen
Grenzwert.
Die japanische Regierung plant derzeit keine Ausweitung der
Evakuierungszone um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima.
Regierungssprecher Yukio Edano sagte aber, den Bewohnern des Gebiets
in einer Entfernung von 20 bis 30 Kilometern um das Kraftwerk
Fukushima-Eins werde empfohlen, sich freiwillig in weiter entfernte
Regionen zu begeben. Diese Empfehlung erfolge nicht aus
Sicherheitsgründen, betonte Edano nach einer Meldung der
Nachrichtenagentur Kyodo. Um wachsende Probleme im Alltag zu
vermeiden, hätten bereits zahlreiche Bewohner dieses Streifens von
sich aus dieses Gebiet verlassen.
Japan erwägt in Reaktion auf die Nuklear-Katastrophe in Fukushima
neue Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke, wie Wirtschaftsminister
Banri Kaieda am Freitag mitteilte. Die neuen Richtlinien sollen beim
Wiederanfahren von AKWs, die derzeit Routineüberprüfungen unterzogen
werden, gelten.
Nach Darstellung des Ministers könnte es im Sommer, wenn im ganzen
Land die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen, wegen der Katastrophe in
Fukushima zu einer Stromunterversorgung kommen. Demnach dürften im
Raum Tokio bis zu 15 Millionen Kilowatt fehlen. Bis Ende April sollen
Maßnahmen zur Energieeinsparung ausgearbeitet werden. Erwogen wird
auch eine Strompreiserhöhung. Ebenfalls im Gespräch ist die
Einführung einer Sommerzeit-Regelung.
Die Naturkatastrophe vom 11. März hat nach jüngsten offiziellen
Zahlen mindestens 9811 Menschen das Leben gekostet. 17 451 werden
noch vermisst. In der Präfektur Miyagi veröffentlichte die Polizei
Informationen zu mehr als 2000 Leichen im Internet mit der Bitte, bei
der Identifizierung zu helfen. Dazu gehören Angaben zur Kleidung oder
zur Körpergröße.
Die japanische Regierung hat den im Erdbeben und Tsunami
entstandenen Schaden an Gebäuden und Straßen auf rund 200
Milliarden Euro geschätzt. Der Schaden belaufe sich voraussichtlich
auf 16 bis 25 Billionen Yen (193,3 bis 217,7 Milliarden Euro), teilte
die Regierung nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo vom
Freitag (Ortszeit) mit. Der Internationale Währungsfonds (IWF) nannte
Schätzungen, wonach sich die Schäden auf drei bis fünf Prozent des
japanischen Bruttoinlandsprodukts belaufen.
# dpa-Notizblock
## Internet
- [Nachrichtenagentur Kyodo](
http://dpaq.de/t60xl)
- [Live-Stream NHK](
http://dpaq.de/8v7r5)
## Orte
- [Atomkraftwerk Fukushima-Eins](37.421389, 141.0325)
- [Strahlenforschungsinstitut] (
http://dpaq.de/KVcOx)